Inspirationen

   
   

Wann die große Suche begonnen hat, weiß ich nicht so genau. Vielleicht mit zehn Jahren, als ich mit meinen Eltern zum Geburtsort meines Vaters fuhr, nach Rumänien, ganz im Nordosten, nahe der russischen Grenze stand noch das alte Bauernhaus. Auf der langen Reise begegneten wir vielen Roma Familien, die ihre Zelte am Wegrand aufgeschlagen hatten. Ihr Nomadendasein, die ausdrucksvollen Gesichter, die bunten Kleider, ihre Musik in den Gasthäusern und ihre Bescheidenheit weckten in mir Gefühle die einer unbegreiflichen Tiefe entsprangen und mich nie mehr loslassen sollten. Es war die Ahnung einer mir unbekannten Ursprünglichkeit, eine tiefe Sehnsucht, die ich bis heute noch in besonderen Situationen erlebe.

Auf Reisen und Studienaufenthalten in Europa, Mexiko, Japan, Australien, Indien, USA, Kanada und Nordafrika entdeckte ich, dass es viele Orte und Kulturen gibt, an denen diese Sehnsucht lebendig wird. Sie entsteht auch durch Bücher, Musik, Kunst, Tanz und in der Natur.

In meinem Studium bei Dora Várkonyi erfuhr ich eine Konkretisierung dieser Suche nach der Vergangenheit. Die Eindrücke von Stonehenge, von Höhlen in Südfrankreich, von Geburtstanz, afrikanischen Ritualtänzen, Gesängen, Musik der Roma und der Klang der irischen Tinwhistle bekamen einen sehr realen Hintergrund. Der Ursprung unserer heutigen Kulturen und Religionen liegt lange Zeit zurück. Es gab eine Kultur, die überall auf der Erde Zeichen hinterlassen hat, und deren Gemeinschaften jeweils auf besondere Weise mit den Urgesetzen der Erde verbunden waren. Sie wurde von den Geschichtsschreibern lange ignoriert und das Wissen darum unterdrückt. Heutige Forschungsarbeiten bringen sie mehr und mehr zu Tage. Archäologische Funde und Analysen beweisen immer wieder von Neuem, was selbst renommierte Archäologen heute noch hartnäckig bestreiten.

Es gab eine Zivilisation die Jahrtausende ohne Kriege und Gewalt lebte.

Die Menschen lebten in Gemeinschaften, die ohne Herrschaftsanspruch und Unterdrückungsmechanismen Mann und Frau als gleichberechtigt ansahen. Sie fühlten sich als Teil des großen Kosmos. Ihr Gesellschaftsleben basierte auf der Verehrung der Großen Göttin. Alles war aus ihr geboren und kehrte zu ihr zurück. In ihrer anthropomorphen Form (menschlichen Gestalt) war sie eine Metapher (Abbildung) der menschlichen Mutter. Sie stand für den ewigen Kreislauf des Lebens und bildete ein Netz der Geborgenheit. Leben, Tod und Wiedergeburt wurden als ewige Gesetze empfunden, ebenso wie der Kreislauf von Wachstum, Reifen, Vergehen und erneutem Keimen der Pflanzen. Kosmische Ordnung und irdische Fruchtbarkeit waren die Inhalte von Kunst und Wissenschaft, Tanz und Magie. Sie gehörten zum gesellschaftlichen Leben wie essen und trinken. Es gab zu dieser Zeit keine formalen Kriterien und Regeln, die, wie heute, alle Bereiche fein säuberlich trennten. Kultfeste waren der menschliche Beitrag zur Erhaltung des Gleichgewichts aller Kräfte. Sie ermöglichten den Zugang zu den Schöpfungsvorgängen auf metaphysischer Ebene. Das Wissen um die Harmonie zwischen dem Makrokosmos des Universums und dem Mikrokosmos der Erde wurde in Tänzen und Ritualen für die Große Göttin ausgedrückt.

Die ersten entdeckten Zeichen archaischer Weltanschauung sind Sphäroiden, die von Menschenhand vor 300 bis 400 tausend Jahren entstanden sind. Es sind gefundene und geformte Kugeln aus Stein oder Lehm, deren Bedeutsamkeit sich durch ihren Fundort an Ritualplätzen und später in Gräbern zeigt. Sie symbolisieren in ihrer Rundung den Kosmos, den Lauf der Gestirne, die ewige Wiederkehr. Daraus leiteten die Menschen ein Weltbild ihres Daseins ab, das in allen späteren Kulturen vorgefunden wird.

Marie E.P. König und Marija Gimbutas haben durch fundierte Forschung stufenweise eine Verbindung geschaffen von diesen ersten Zeichen bis zu den heutigen Symbolen. Sie zeigen auf, dass sich der Mensch schon im Altpaläolithikum Gedanken über Raum und Zeit, und seinen Standpunkt darin gemacht hat. Neue Funde bestätigen immer wieder ihre Thesen, die wesentlich zum besseren Verständnis und zu deren Deutung beitragen. Der erste auf Elfenbein geritzte Mondkalender ist rund 400 000 Jahre alt.

An den verschiedensten Orten der Welt, sind heute noch deutlich Anzeichen dieser alten Weltanschauung zu erkennen. Ein Schlüsselsatz der asiatischen Heilkunde lautet: Der Mensch ist nicht zu trennen von Himmel und Erde.

Heute sehe ich eine Aufgabe meiner Kunst darin, dieses alte Weltbild in Erinnerung zu rufen und eine Verbindung zwischen dem Wesen der Natur und den Bedürfnissen der Menschen anzuregen: eine Rückkehr des Bewußtseins zur übersinnlichen Seite der Wirklichkeit. Vielleicht können wir daraus neue Erkenntnisse über Werte und Richtlinien zur Organisation unserer Gesellschaft schöpfen.

Es gab nicht schon immer Kriege,
es liegt nicht in der Natur der Menschen zu töten,
es gibt Hoffnung für die Zukunft,
es gibt eine gemeinsame Energie,
über alle Grenzen, Kulturen und Religionen hinweg,
wir können aus unserer Urgeschichte lernen,
wir alle besitzen Magie,
wir müssen sie nur zulassen.
Ich habe Kinder und es ist meine Pflicht positiv zu denken.
(Gila Hirth)

Alles tanzt,
Energie tanzt.
Wasser, Luft, Feuer tanzen.
Die Erde dreht sich in einer Galaxie,
die sich dreht.
Diesen Tanz zu spüren und sich darin mitzudrehen,
aus seiner Energie Neues zu materialisieren
und wieder aufzulösen,
ist Natur,
Kunst und Magie zugleich.
( Luisa Francia)